
Sobald man sich damit befasst, seinen Garten ganz oder wenigstens teilweise naturnah zu gestalten, wird man auf den Begriff „Neophyten“ stoßen.
Was damit gemeint ist, lässt sich recht einfach aus dem Wort herleiten: „neo“ bedeutet neu, „phyt“ von griechisch „phyton“ steht für Pflanze oder Gewächs.
Es geht also um Pflanzen, die nicht zur ursprünglichen Vegetation einer Region gehören. Gelegentlich bezieht sich diese Definition auf alle eingeschleppten Arten, meistens trifft man jedoch auf eine zeitliche Eingrenzung auf die Zeit nach 1492. Der Beginn der Eroberung Amerikas durch die Europäer markiert zugleich den Beginn eines intensiven Austauschs von Arten, der sich keineswegs nur auf Pflanzen beschränkt. Eine Differenzierung findet nur im deutschsprachigen Raum statt; international wird, alles Lebende umfassend, von Neobiota gesprochen.
Doch bleiben wir hier bei den Pflanzen. Um die Größenordnung der durch Menschen beeinflussten Verbreitung gebietsfremder Arten zu verdeutlichen, sei eine Zahl aus einem lt. Wikipedia in 2015 in der Zeitschrift nature veröffentlichten Artikel genannt. Erwiesenermaßen mindestens 13.186 Pflanzenarten seien durch Zutun des Menschen aus ihrer ursprünglichen Heimat in andere Regionen verschleppt worden. Die meisten dieser Arten fänden sich demnach in Nordamerika, die größte Quelle für alle anderen Kontinente sei Europa.

Ist das jetzt schlimm?
Nun, ja… Bleiben wir in dem Bereich, den wir gut überblicken und beeinflussen können: dem eigenen Garten.
Hier gibt es Neophyten, auf die wir sicher nicht verzichten wollen. Kartoffeln, Tomaten, alle Kürbisse und ihre Verwandten und Mais kommen aus Südamerika und sind uns Europäern inzwischen Standard-Nahrungsmittel geworden. Auch Zierpflanzen zählen dazu: Dahlien, Pfingstrosen, Kamelien, um nur einige wenige zu nennen.
Allerdings sollten wir unsere Gärten auch als kleinen Ausschnitt Umwelt betrachten, ein fein abgestimmtes Gefüge aus Pflanzen, Tieren und Pilzen, welches sich durch die Evolution aneinander, sowie an die klimatischen Bedingungen und den Boden angepasst hat.
Für viele Lebenwesen sind die pflanzlichen Neubürger relativ unproblematisch. Viele Insekten sind Futter-Generalisten, die ihre Nahrung aus ganz unterschiedlichen Pflanzen beziehen. Doch oft nur auf den ersten Blick. Betrachten wir die Larven, wird es schon komplizierter. So bietet der vielgepriesene Schmetterlingsflieder (Buddleia davidii) zwar Nektar für Schmetterlinge, als Futterpflanze für die Raupen wird er von keiner einzigen Art genutzt. Kommt das erwachsene Tier noch mit der neuen Pflanze zurecht, haben wir es im Larvenstadium also mit Futterspezialisten zu tun. Ein paar Beispiele: Der Schwalbenschwanz bevorzugt zur Eiablage (wilde) Möhre und Fenchel, das Tagpfauenauge und der Kleine Fuchs die Große Brennnessel, der Zitronenfalter Kreuzdorngewächse wie den Faulbaum. Ebenso gibt es unter den Wildbienen Arten, die in einer über Jahrtausende gewachsenen Abhängigkeit von nur einer einzigen Pflanzenart leben, wie die Natternkopf-Mauerbiene.
Wir sehen, dass ein Angebot ungefüllt blühender Zierpflanzen alleine die Situation für die Insekten, und damit auch für die in der Nahrungskette folgenden Tiere, nicht wesentlich verbessert.

Kann eine Veränderung im Garten denn so viel verändern?
Hier gilt, wie so oft: Wenn viele kleine Leute an vielen kleinen Orten viele kleine Schritte tun 🙂
In Deutschland gibt es etwa 17 Millionen private Gärten, deren Anteil an der Landesfläche 2-3% liegt. Das sind immerhin 7152 bis 10.727 km²! Betrachtet man die kleinteilige Verteilung privater Gärten und Kleingartenanlagen, können Gärten eine wichtige Funktion als Rückzugsort, Futterstation oder Trittstein zur Vernetzung von Lebensräumen übernehmen. Voraussetzung hierfür ist, ein entsprechendes Angebot zu schaffen. Und ist ein wirklich lebendiger Garten nicht viel spannender?

Zu guter Letzt: Der Blick über den (Garten-)Zaun
Leider zeigt sich immer häufiger das Umwelt-verändernde, teilweise -schädigende Potenzial der nicht-heimischen Pflanzenarten.
Dort, wo sich Neophyten außerhalb der von Menschen gepflegten Flächen etabliert haben und sich ausbreiten, zeigt sich, dass sie in der Lage sind, heimische Pflanzen zu unterdrücken und zu verdrängen. In diesem Moment spricht man von einer invasiven Art. Dies geschieht, wenn Boden und klimatische Bedingungen passen, die Pflanzen sehr viele Samen bilden oder durch vegetative Vermehrung eine starke Konkurrenz darstellen und Fressfeinde fehlen (s.o.) Daher ist die Verteilung innerhalb Deutschlands sehr unterschiedlich.
So finden wir Gräben und Feldraine überwachsen mit Kanadischer Goldrute (hier in der Nähe entlang der L3053 zwischen Ober-Hörgern und Eberstadt), Bachufer in hübschem, ökologisch leider eher nutzlosem Rosa des Drüsigen Springkrauts (am Klingelbach, parallel zum Schiffenberger Weg) und Bahndämme, an denen sich der schon genannte Schmetterlingsstrauch immer weiter ausbreitet. Auch die wegen ihres phototoxischen Pflanzensafts berüchtigte Herkulesstaude ist ein solcher invasiver Neophyt.
Einige dieser Pflanzen, z.B. der Japanische Knöterich oder Staudenknöterich, werden inzwischen in einigen Gegenden mit großem Aufwand bekämpft.
Fazit
Wir sollten beim Einkauf zumindest auf invasive Neophyten verzichten. In der Schweiz ist der Verkauf und das Verbreiten von 18 Arten (in der Broschüre „Jardin Suisse“ genannt) sogar verboten.
Für 24 weitere Arten gibt es eine Verkaufsverzicht-Vereinbarung.
Wer seinen Garten ökologisch sinnvoll gestalten oder aufwerten möchte, achtet auf heimische Stauden, Gehölze und Saatgut, besser sogar regional. Ein Beet von mehreren oder ein Mix aus heimischen Pflanzen und dem einen oder anderen Neuling (sofern er sich nicht invasiv verbreitet) ist besser als nichts. Wer schon als invasiv geführte Pflanzen sein Eigen nennt, sollte sie zumindest dahingehend pflegen, sie sich nicht außerhalb des Gartens verbreiten zu lassen: Samenstände beizeiten entfernen, Ausläufer beseitigen, Wurzelsperren anbringen und Schnittgut, Wurzeln etc. mit dem Restmüll entsorgen, damit es verbrannt wird.
An dieser Stelle sei auf §40 Bundesnaturschutzgesetz hingewiesen, der das Ausbringen von krautigen Pflanzen und Gehölzen in der freien Natur außerhalb ihrer natürlichen Vorkommensgebiete verbietet.
Weitere Informationen findet man hier:
www.naturgarten.org (Seite des naturgarten e.V., sehr konsequent)
Invasive Arten | landwirtschaft. hessen.de (hier sind weiterführende Links zur Unionsliste u.a. zu finden)
Information, Anleitung und viele schöne Fotos bietet das Buch „Tiere pflanzen“ von Ulrike Aufderheide, erschienen im pala-Verlag, ISBN 978-3-89566-388-8
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